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Geänderte Einstellung zu Einsatz und Erfolg im Beruf

Gibt es veränderte Einstellungen zu Einsatz und Erfolg im Beruf? Und wenn ja, wirken sie bereits auf das Arbeitsrecht ein? Mit diesen Fragestellungen befasste sich der Förderverein der Juristischen Fakultät der Universität Potsdam bei der Podiumsdiskussion am 30.11.2022. Zwei Personen, die sich bereits seit längerem und tagtäglich damit auseinandersetzen, gaben Einblick in die Praxis des Arbeitsrechts.

Prof. Robert von Steinau-Steinrück beschrieb die Erwartungen, die heutige Absolventen und Nachwuchskräfte an die Unternehmen stellen. Arbeit und berufliche Tätigkeit sollen als sinnstiftend empfunden werden und Abwechslung bieten. Das Unternehmen soll einerseits Selbstverwirklichung im beruflichen Umfeld, gleichzeitig aber auch Freiraum für private Entfaltung bieten. Eine strenge Teilung von Berufs- und Privatleben trete in den Hintergrund zu Gunsten individueller Vorstellungen von „work-live-blend“: Privates soll auch während der Arbeitszeit geregelt werden können, gleichzeitig sei man auch bereit, während der Freizeit, z.B. im Urlaub, berufliche Termine wahrzunehmen. Von Steinau-Steinrück ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner der überörtlichen Rechtsanwaltskanzlei Luther. Seit 2009 ist er Honorarprofessor an der Juristischen Fakultät der Universität Potsdam. Er gehört dem Vorstand des Fördervereins an.

Annette Salomon-Hengst, brachte die Situation des öffentlichen Dienstes und der öffentlichen Arbeitgeber in die Veranstaltung ein. In der Vergangenheit bestand dort ein Bewerberüberschuss, für die Einstellung von Assessor*innen gingen regelmäßig viele Bewerbungen von Personen mit wenigstens zwei vollbefriedigenden Staatsexamen ein. Jetzt sei auch die Verwaltung mit einem Bewerbermangel konfrontiert, zusätzliche Akquisemaßnahmen in Karriereportalen und Bewerbermessen wären erforderlich. Längst habe man sich auf Nachfragen von Einstellungsinteressent*innen und eingestellten Nachwuchskräften vorbereitet, welche Zusatzleistungen Bewerbungen anziehen und eine Abwanderung verhindern. Salomon-Hengst leitet seit 2007 das Referat Arbeits-, Tarif- und Sozialversicherungsrecht, Zusatzversorgung (VBL), Vertretung des Landes im Arbeitgeberverband der Länder im Ministerium des Innern und für Kommunales des Landes Brandenburg. 

Salomon-Hengst widmete sich dabei den personalpolitischen Herausforderungen und rechtlichen Grenzen im öffentlichen Dienst: Sie beschrieb bestehende Spannungsverhältnisse zwischen praktischen Anforderungen an den flexiblen Personaleinsatz einerseits und tradierten Regeln im Beamten- und Tarifrecht andererseits. Differenzen bestünden dabei nicht nur zwischen beschäftigungspolitischen Initiativen und Angeboten einzelner Arbeitgeber im öffentlichen Dienst und der daraus folgenden Wettbewerbssituation zwischen Berufs- und Statusgruppen, sondern auch zwischen dem lebensälteren Bestandspersonal und den zu anderen Bedingungen neu eingestellten Mitarbeiter*innen. Sie erläuterte das anhand der Diskussionen um ein Arbeitszeitkonto, mit dem Beschäftigte innerhalb einer zwölfjährigen Aufbauphase ein Arbeitszeitguthaben für eine Freistellung mit Gehaltsfortzahlung bis zu zwei Jahre ansparen können, und anhand der Diskussionen um ein Fahrradleasing oder die Betankung von Elektroautos für Beschäftigte. Immer ringen beschäftigungspolitische Argumente mit tradierten Auffassungen, was zur Aufrechterhaltung der Leistung- und Dienstfähigkeit der öffentlichen Verwaltung eingesetzt und was politisch vertretbar sei – kurzum, was Beschäftigte von einem ausschließlich steuerfinanzierten Arbeitgeber erwarten könnten. Schon längst gäbe es in den Verwaltungen für die Mitarbeiterrinnen kostenfreie Mineralwassersprudler, und auch die öffentlichen Arbeitgeber müssten angesichts der pandemiebedingten Erledigung der Arbeit im Home-Office an vielen Stellen Wertungswidersprüche und vorhersehbare Konflikte reparieren. Die öffentliche Verwaltung stünden vor einer immensen Kostenbelastung – für zukunftsfähige Beschäftigungsbedingungen sei eine Flexibilisierung und Entbürokratisierung des Arbeitskreis- und Dienstrechts notwendig. 

In seinem Praxisbericht aus der arbeitsrechtlichen Beratung von Unternehmen bekräftigte von Steinau-Steinrück, dass alle Arbeitgeber hohen Erwartungen der Beschäftigten und aus dem Bewerberfeld ausgesetzt sind. Viele Unternehmen wären schon durch die technischen (und organisatorischen) Umstellungen im Zuge der Corona-Pandemie stark herausgefordert. Zusätzliche Angebote für private und betriebliche Sport- und Freizeitaktivitäten, Weiterbildungsmöglichkeiten und Verpflegungs-Benefits, „Unterhaltungsprogramme im Unternehmen“ (Tischkicker, Tischtennis, Billard) bis hin zu kostenintensiven Mobilitätsbenefits wie Unternehmensfahrrädern oder kostenloser Stromversorgung von Fahrzeugen zögen zusätzliche Erwartungen nach sich. Die Angebote von Arbeitgebern stünden zudem in einem internationalen Wettbewerb. Viele Unternehmen investieren in die Entwicklung des vorhandenen Personals.

Beide Referenten gaben Einblicke in die persönlichen Entwicklungsmöglichkeiten und Tätigkeitsprofile in der Ministerialverwaltung bzw. einer internationalen Wirtschaftskanzlei. In der anschließenden Diskussion erschien die zunehmende Verrechtlichung der Arbeitsbedingungen zum Schutz der Beschäftigten als Hindernis gegenüber der stark nachgefragten flexiblen Individuallösungen. Beide Referenten halten zusätzliche Diskussion und Denkanstrengungen für dringend erforderlich, wie die Aufgabenerfüllung und Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung und in den Unternehmen mit einer sinkenden Anzahl anders motivierter und qualifizierter Beschäftigter gewährleistet werden kann. 

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